IBM 1130
Seit Dezember 2013 sind wir im Besitz einer schönen und auch sehr interessanten "Elektronischen Rechenanlage" von IBM. Dieses Modell wurde im Dezember 1965 angekündigt und ab 1966 ausgeliefert. Die Anlage war vorwiegend für Wissenschaftler, Ingenieure und Mathematiker konzipiert. Auch für sehr viele Fachhochschulen war dieser Rechner der Einstieg in die elektronische Computerwelt. Die Mittel hierfür wurden schnell bewilligt, wenn man zeigte, dass damit nebenbei die gesamte Verwaltung der Hochschule auf EDV umgestellt werden konnte. So war unsere 1130 ursprünglich der erste größere Rechner der Hochschule Darmstadt, die im Laufe der Zeit von einer "Staatlichen Ingenieurschule" zur "UNIVERSITY OF APPLIED SCIENCE" avancierte. Auf der Extraseite wird die Anlage noch an der Hochschule stehend beschrieben: [IBM-Anlage im RZ].
IBM schätzte den Bedarf für Deutschland bei der Einführung der 1130 auf insgesamt ca. 100 Stück. Doch es kam anders. Da die eingebaute Wechselplatte sowie die gesamte Anlage konkurrenzlos preiswert waren wurde etwa die Hälfte der ausgelieferten Systeme quasi "zweckentfremdet" rein kommerziell genutzt. Damit konnte der Absatz in Deutschland bis 1970 auf 385 Stück gesteigert werden. Je nach Ausbaustufe kostete die Monatsmiete der Anlage zwischen ca. 3500 DM bis 14500 DM. Das entsprach dem 3- bis 12-fachen monatlichen Durchschnittsgehalt von 1970. Damit war die Rentabilität des Rechners recht hoch.
IBM hat schon ab 1964/65 mit der SLT-Technik (Solid Logic Technology) die SMD-Technik entwickelt (SMD: Surface-Mounted-Device, deutsch: Oberflächenmontiertes Bauelement). Erst Mitte der 80er Jahre hat sich diese Technik mit den vielen Vorteilen langsam durchgesetzt. Siehe auch Reparatur-Blog vom 30.9.2014.
Unsere Anlage ist mittlerweile voll funktionsfähig.
IBM 1130, vorne rechts IBM 1131 Prozessor, links Speichererweiterung, hinten links IBM 1442 Lochkarteneinheit (Leser/Stanzer), rechts IBM 1132 Drucker.
Alle folgenden Bilder lassen sich vergrößern.
In Bild 1 ist die Tastatur mit Kugelkopf-Schreibmaschine sowie die Konsole und das Anzeigepannel zu sehen. Die Tastatur ist keine Neuentwicklung sondern stammt aus dem Lochkartenstanzer 029 und dekodiert noch mechanisch.
Die kleinstmögliche Anlagenkonfiguration ist ohne Zusatzspeicher (linker Teil der Front), ohne Drucker (1132), ohne Wechselplatte und arbeitet anstelle mit Lochkarten mit den preiswerteren Lochstreifen (siehe Bild 4).
Doch der aufwändige und komfortable Prozessor der 1130 konnte viel mehr bieten zumal das Arbeiten mit Lochstreifen wenig komfortabel ist. Daher wurde die Anlage in der Regel mit anspruchsvollerer Peripherie verkauft bzw. vermietet. Sie war jederzeit erweiterbar und konnte so mit der Institution und deren Bedarf an EDV mitwachsen.
Die Mechanik des Druckers 1132 wurde von der Tabelliermaschine IBM-407 aus den 50er Jahren abgeleitet und unter Beibehaltung der Druckqualität etwas vereinfacht. In Bild 2 zeigt ein Foto den Drucker mit allseits geöffnetem Gehäuse und entfernten Abdeckungen. So haben unsere Besucher auch während der Vorführung tiefe Einblicke in die archaische Technik. Nach der Restauration sieht unser Drucker außen und innen wie aus dem Ei gepellt aus.
Vorne sitzen 120 Elektromagnete zum Auslösen der entsprechenden Druckstellen, alles noch in großformatiger Mechanik, gebaut für die Ewigkeit und typisch für die 50er und 60er Jahre.
Er liefert mit 80 Zeilen pro Minute zwar ein gutes Druckbild doch wurde die Kombination von Hightech-Elektronik und langsamer Mechanik wohl nur im Hinblick eines günstigen Preises gewählt.
Wem der Drucker zu langsam war konnte auch den IBM 1403 Schnelldrucker anschließen.
Im Bild 3 ist ein kompletter 8K x 16 Bit (=16 KB) Kernspeicherblock mitsamt der Ansteuer- und Auslese-Elektronik zu sehen. Wie die restliche Elektronik mit den SLT-Steckkarten ist auch die Speichereinheit sehr kompakt und deutlich weniger voluminös als bei allen Konkurrenten der damaligen Zeit. Hier setzte der Konzern, bekannt durch die vielen IBM-Patente, ebenfalls Maßstäbe. Die abgebildete Streichholzschachtel dient zum Größenvergleich. Die meisten weltweit verkauften Systeme hatten nur einen Kernspeicher mit 8K x 16 Bit. Die Erweiterung auf 2 x 8K x 16 Bit (=32 KB) (linker Anbau) ist daher deutlich seltener zu finden.
Auch die gehören zu unserer Anlage: Facit Lochstreifengeräte (Bild 4).
Aufwickler Type 4015, Stanzer Type 4060, Leser Type 4001 und Stanzerelektronik Type 5104.
Es war damals üblich, dass wissenschaftliche Rechner immer zusätzlich mit Lochstreifenperipherie ausgestattet waren. Diese Geräte sind relativ unempfindlich, so dass man im Notfall darauf zurückgreifen konnte. Es war jedoch nicht möglich vom Lochstreifen aus Programme zu starten. Dafür musste eine extra Option eingebaut werden.
Bild 5 zeigt die an die Anlage angeschlossen Ausgabegeräte wie Plotter und Terminal.
Der COMPLOT DP-1 Digital Plotter ist ein noch voll transistorisierter "Hochgeschwingigkeitsplotter" der anstelle des langsameren IBM-Modells 1627 (Calcomp 565) angeschlossen wurde. Die Technik und Elektronik des Plotters ist sehr überschaubar, nicht aber der Preis: Er kostete 1971 über 18.000,- DM (ca. 9000 €), was einem Gegenwert von zwei Mittelklasseautos entsprach. In den frühen 70er Jahren konnten EDV-Firmen noch "richtig Geld verdienen".
Rechts daneben steht das Tektronix 4006 Graphic-Terminal mit welchem sowohl Text als auch Grafik angezeigt werden kann. Dieses Terminal kam 1975 auf den Markt. Damals waren die Preise für Halbleiterspeicher noch so hoch, dass man stattdessen eine "Speicherröhre" verwendete. Auf einem ähnlichen Prinzip arbeiteten die ersten Speicheroszilloskope.
***Für dieses Gerät sowie das Interface von WDV suchen wir noch Unterlagen (Manuals) um es reparieren zu können***
[Die IBM1130-Anlage inkl. Bandlaufwerk wurde uns freundlicherweise vom FITG (Frankfurt) übereignet. Die Peripheriegeräte sind Leihgaben des FITG]
Reparatur-Blog
Wie schon für den UNIVAC-9200 Rechner wird auch für diese IBM Anlage ein Reparatur-Blog erstellt. Die Schwierigkeit bei der Instandsetzung der IBM-Anlage liegt darin, dass diese damals, mitte der 60er Jahre, sehr fortschrittlich aufgebaut war: Hier wurden kaum noch herkömmliche Transistoren verwendet, sondern sogenannte SLT-Bausteine. Das sind kleine Keramik-"ICs" (keine integrierten Schaltungen im heutigen Sinne), in welchen die Transistoren, Dioden und Widerstände, eben noch lokalisierbar, untergebracht wurden. Diese Bausteine sind nicht mehr erhältlich und müssen bei Defekten praktisch "repariert" werden, was sehr aufwändig ist. Die fortschrittliche IBM-Technik von damals ist daher heute für die Instandsetzung ein Nachteil. Zur gleichen Zeit baute z.B. BULL noch mit großformatigen Pertinax-Platinen und Germanium-Transistoren. Zwei Welten, wie sie unterschiedlicher nicht sein konnten!Typisches SLT-Modul. Den Schaltplan hat IBM auf Schnell- druckern hergestellt. Nachteil: Schwer lesbar da alle Logik- elemente gleich aussehen.
Vergrößern: Bild anklicken!
Die Zeitinvestitionen für ein solches Vorhaben sind riesig. Zum Glück weiß man vorher nicht, was auf einem zukommt (siehe BULL Gamma 55: über 30 Fehler!). Sonst würde manch eine Reparatur gar nicht erst begonnen werden.
Der Blog beginnt hier und geht auf einer Extraseite weiter (siehe unten).
Dezember 2013: Wie bei "neuen" Anlagen üblich, werden diese erst einmal gründlich gesäubert und von den verklebten oder zerfallenen Schaumgummimatten (zur Schalldämmung) befreit. Danach erfolgt der grobe optische Test auf Vollständigkeit der Anlage.
30.12.2013: Die Neugierde ist groß, daher wird am Anfang viel Zeit investiert! Nachdem die Installation des Memory´s mit 32 kB Kapazität (bei einer Wortbreite von 16 Bit) erfolgt ist, kam der erste Einschaltvorgang (ohne Peripherie). Keine Sicherung verabschiedete sich, keine Rauchwolken stiegen empor....immerhin. Die Netzteilspannungen waren o.k. Nur der Konsolendrucker, eine IBM Kugelkopfschreibmaschine, machte lautstark einen dauernden Wagenrücklauf. Also schnell wieder ausschalten......
2.1.2014: Der Konsolendrucker musste ausgebaut und separat placiert werden.
Um die Anlage zu schonen wurde er unmittelbar an die Netzspannung angeschlossen. Nach ca. 3 Stunden Suchen war der Fehler gefunden: 4 durch Federn gehaltene Blättchen (kaum sichtbar) waren durch verharztes Öl unbeweglich. Nach der "Entfettung" und neuer Ölzufuhr (W40) war der Fehler behoben.
4.1.2014: Da der Konsolendrucker nun ruhig und gemächlich läuft, konnten die ersten Versuche gestartet werden Informationen in den Speicher zu schreiben und auszulesen. Es braucht schon Zeit, bis man diese Manipulationen beherrscht. Voreilig kann man sagen: Der Speicher funktioniert zumindest etwas......
6.1.2014: Nachdem langsam die manuelle Bedienung des Speichers klar wird, zeigt sich, dass mindestens 2 Fehler vorhanden sind:
1. Eine kontinuierliche Eingabe Adresse für Adresse läuft falsch
2. Im "oberen" Bereich des Speichers entstehen Paritätsfehler, d.h. 2 von 15 Bits fehlen. Das fängt ja gut an.....