EDV-Anlage der 2. Generation: BULL GAMMA 10
BULL Gamma 10 EDV-Anlage
Es war der 25. Oktober 1962 an welchem in Köln-Mülheim (BULL-Hauptverwaltung) der Öffentlichkeit erstmalig die neue Datenverarbeitungsanlage BULL-GAMMA-10 vorgestellt wurde. 1963 kam der GAMMA 10 (G10) schließlich auf den Markt, der insbesondere für kommerzielle Anwendungen im Lochkartenverfahren gedacht war.
Zitat aus BULL-Informationen Nr.24 von 1962: ".....eignet sich die Maschine, dank ihrer technischen Vorzüge und ihres verhältnismäßig niedrigen monatlichen Mietpreises von 8000 DM, besonders auch für mittlere Unternehmen von etwa 2000 Beschäftigten oder 10.000 bis 15.000 Buchungen pro Tag".
Dies war der unmittelbare Nachfolger der Tabelliermaschine (mit oder ohne Gamma 3) und der erste von Bull selbst entwickelte Computer der 2. Generation. Die Technik ist etwa auf dem Stand von 1960/61!Im Gegensatz zu den Großanlagen benötigte der G10 nur einen ca. 20m² großen Raum, der nicht klimatisiert werden musste. Die Leistungsaufnahme beträgt maximal 2,5 kW.
Die Grundausrüstung besteht aus der Zentraleinheit mit Steuerpult, der Lochkartenlese-/Stanzeinheit und dem separaten Trommeldrucker. Der Arbeitsspeicher ist ein Kernspeicher der wahlweise 1 kB bis maximal 4 kB Kapazität hatte. Für die Programmierung stehen 59 unterschiedliche Grundoperationen zur Verfügung.
Die Zykluszeit des Kernspeichers beträgt 7 Mikrosekunden. Der Rechner kann gleichzeitig 300 Karten pro Minute lesen und stanzen. Entsprechend gigantisch ist das Stanzwerk. 5 komplette Lochkarten pro Sekunde zu stanzen ist eine beachtliche Leistung. Der Drucker schafft immerhin 300 Zeilen pro Minute (Zum Vergleich: Der Drucker unserer UNIVAC 9400 Anlage ist mehr als dreimal so schnell).
Gamma 10 ohne Verkleidung
Dieser Rechner zeichnet sich durch einen sehr ästhetischen, hervorragenden Aufbau aus. "Nackt", d.h. ohne Verkleidung wirkt er noch schöner als in der ersten Abbildung. Das gesamte Chassis ist in silbermetallic Hochglanzfarbe ausgeführt. Die Anordnungen der einzelnen Elemente sind klar, servicefreundlich und übersichtlich.
Wir mussten in der sehr umfangreichen Mechanik Zahnräder auswechseln, die eigens hierfür nachgebaut wurden. Auch waren viele elektronische Defekte zu beseitigen, was bei dem Umfang von über 500 Modulen (siehe Bild unten) alles andere als einfach war. Ohne die aktive Mithilfe von ehemaligen BULL-Technikern, die auf dieser Maschine andere Techniker ausgebildet hatten, wären die Chancen Fehler aufzuspüren praktisch Null. Jeder Fehler muss solange verfolgt werden, bis man das defekte Teil, meistens Transistoren, gefunden hat.
Mittlerweile funktioniert der Rechner wieder einwandfrei, was für einen so alten Computer wahrlich sensationell ist. Es dürfte weltweit der einzige Gamma 10 sein, der noch läuft. Dennoch treten immer wieder neue Fehler auf, die uns herausfordern. Aber nur so lernt man die Architektur des Rechners kennen.
Das Steuerpult ermöglicht einerseits während der Programmabwicklung die Steuerung und Überwachung des Gamma 10, andererseits den einfachen Programmtest durch den Programmierer.
Das Bild zeigt einen Ausschnitt des Programmierer-Steuerpultes. Es dient dazu, den Programmablauf schrittweise durchzuführen, den Inhalt der Register, Vergleicher usw., sowie der verschiedenen Speicherstellen des Zentralspeichers abzulesen und schließlich Programmbefehle zu bilden und ablaufen zu lassen.
Alle Anzeigen sind mit den grün leuchtenden Miniaturröhren "DM 160" ausgestattet.
Unten ist das Bild eines typischen Moduls (insges. 570 Stück, ohne Drucker!) zu sehen. Auf der Grundplatine laufen die Leiterbahnen in Längsrichtung, auf den kleinen Platinen (Flip-Flop, Verstärker usw.) laufen die Leiterbahnen vorwiegend quer dazu. Fast alle Transistoren sind noch Germanium-Typen.
Die langsame Logik (u.a. der Kartensteuerung) wird von 573 Relais übernommen. Es war mutig, in einen Computer eine so große Menge Verschleißteile einzubeziehen.
Der GAMMA 10 wurde als relativ preiswerte EDV-Anlage offeriert. Wie bei der UNIVAC 9400 haben wir auch für den Gamma 10 eine originale Preisliste aus den Jahren 1968/69, einer Zeit, zu welcher das Modell bereits überholt war und mit Preisnachlass quasi "ausverkauft" wurde.
Zentraleinheit mit 4 k Kernspeicher: 267.000,- DM (ca. 133.000,- €), Drucker 105.000,- DM (ca. 50.000,- €).
Während unser GAMMA 10 Rechner in einem sehr gutem Zustand ist, war jedoch der Drucker wegen der fehlenden Elektronik nicht mehr verwendbar. Doch wir hatten Glück: Ein original Drucker ist uns vom F.E.B. (Federation des Equipes Bull) aus Frankreich überlassen worden. Zwar fehlen die gesamte Verkleidung, sowie einige Teile, doch konnten wir aus den beiden Fragmenten einen voll funktionsfähigen Drucker aufbauen. Das Ergebnis kann sich sehen lassen (s.u.).
Es gibt noch einige bemerkenswerte technische Daten: Der Computer hat über 4000 Transistoren, ca. 10.000 Dioden und mehr als 2500 Messpunkte, an welchen man im (nicht gerade seltenen) Servicefall Messungen im logischen Ablauf der Zyklen vornehmen konnte.
Eine Fehlersuche durch Austausch von einzelnen Platinen war bzw. ist nicht möglich, da die kausalen Verknüpfungen wild über das gesamte Chassis gestreut sind. So verfolgt man einen Fehler dessen logische Kette z.B. von Board 17 auf 95 geht, dann zurück auf 43 und schließlich im Board 293 endet, weil just dort noch ein Flip-Flop frei war. Man muss daher den Fehler konsequent bis zum defekten Bauteil mittels Schaltpläne und Zyklenablauf verfolgen.
BULL I 50: Vorher ein Drucker-Fragment, nachher voll funktionsfähig
Leider werden noch heute quasi historische Unterlagen (Manuals, Schaltpläne usw.) von uralt-Computern oft leichtsinnig entsorgt. Nicht so in der Stadt Wedel.
Um 1970 stand eine G10 in der Lochkartenabteilung der Stadtverwaltung. Der Rechner wurde aus Platzgründen schon vor langer Zeit entsorgt; doch die umfangreichen Unterlagen und Ersatzteile haben im Stadtarchiv überlebt. Frau A.R. knüpfte mit uns den Kontakt so dass wir die genau zu unserem Rechner passenden Unterlagen und Teile übernehmen konnten, die für uns eine wertvolle Hilfe sind. Dafür bedanken wir uns herzlich.