Programmierbare Rechner der 3. Generation mit einfacher IC-Technik
Mit der Entwicklung der IC-Technik 1967/68 galoppierte auch die Entwicklung sehr leistungsfähiger Rechner. Hier ist u.a. der teuerste Tischrechner der Welt aufgebaut: WANG 700,
dessen Verkaufspreis 1969 mit sehr umfangreicher Peripherie deutlich über 70.000,-DM (35.000 Euro) betrug.
Weiterhin kann der erste alphanumerisch anzeigende Rechner (HP 9820, 1971) sowie der erste BASIC-programmierbare Tischrechner der Welt (HP 9830, 1972) vorgeführt werden.
Mit diesen Systemen kann man herrlich Funktionsgraphen samt Beschriftung plotten. Drei Jahre zuvor war so etwas undenkbar! 1971 kamen auch die ersten wissenschaftlichen
programmierbaren "Taschenrechner" mit der Größe einer Zigarrenkiste auf den Markt.
MAEL 4000
Die Tischrechenmaschine MAEL 4000 wurde 1970 von der italienischen Firma Industria Sistemi Elettronici S.p.A. (Rom) vorgestellt. Unsere MAEL zeigt sich als komplettes Büromöbel: in der Mitte der Arbeitsplatte die Rechneranzeige und die Bedientastatur, links eine elektrische Schreibmaschine zur Datenausgabe und als alternatives Eingabeterminal. Lochstreifenleser und -stanzer auf der rechten Seite komplettieren die Anlage. Die Rechnerelektronik verbirgt sich im rechten Unterschrank, in den linken Schubladen zeugen Dutzende von Lochstreifen mit Programmen von ihrem letzten Einsatz in einem Ingenieurbüro in den 70er Jahren.
Der Rechner beherrscht die 4 Grundrechenarten und die Quadratwurzel mit 14stelliger Genauigkeit. Alles was darüber hinausgeht muss man durch Programme realisieren, hierfür stehen 1000 Programmschritte und 112 Speicherregister in einem Kernspeicher zur Verfügung.
Der Name MAEL leitet sich von den Vornamen des Firmengründers und seiner Frau ab (MAssimo und ELiana Rinaldi)
Unsere Maschine ist eine Schenkung des Astronomisch Physikalischen Kabinetts (Kassel). Zur Zeit wird sie restauriert, Recheneinheit und Schreibmaschine sind bereits vorführbereit.
Über Details und die Wiederinbetriebnahme unserer MAEL 4000 lite berichten wir hier.
WANG 700
Komplettanlage WANG 700
1970 brachte die Firma WANG das Modell 700 als Antwort auf den 1968 eingeführten Tischrechner
hp9100 auf den Markt.
Unsere Anlage mit umfangreicher Peripherie ist ein Einzelstück, welches 1970 für den Fachbereich "Didaktik der Mathematik" einer Universität in
dieser Form zusammengestellt wurde. Die Studenten der "reinen" Mathematik mussten sich mit der knapp bemessenen Rechenzeit im Rechenzentrum begnügen,
während ausgerechnet die Didaktikstudenten einen "Personalcomputer" benutzen durften. Das gab natürlich Ärger.
Links befindet sich der RechnerWANG 700B mit einem zweizeiligen großen Nixieröhren-Display, 1 kB Kernspeicher und eingebautem Kassettentape zur
Programmaufzeichnung. Dieser Rechner war für Jahre der schnellste Tischrechner der Welt.
In der Mitte ist der Markierungskartenleser zu sehen, dahinter steht (nicht sichtbar) der manuelle Lochkartenleser. Ganz rechts ist eine von
WANG erweiterte IBM Kugelkopfmaschine mit Schrittschaltmotoren eingebaut, die auch plotten kann. Unter dem Rechner befindet sich eine alphanumerische
Tastatur, mit welcher auch Text eingegeben und gespeichert werden kann. Ganz unten ist ein zusätzliches Kassetten-Doppellaufwerk mit formatierten
Bändern eingebaut. Die Programmierung, eine numerische Assemblersprache, war sehr umständlich. Das Plotterprogramm z.B. beinhaltet 794 (!)
Programmschritte. Ein HP-Rechner (z.B. 9830) konnte zwei Jahre später ein wesentlich komfortableres Plotterprogramm (HP-Basic) mit ganzen
36 Schritten bewältigen.
WANG 500
WANG 500 mit Markierungskartenleser
Die Typenbezeichnungen von WANG sind etwas gewöhnungsbedürftig. Die Rechner erschienen in folgender Reihenfolge: 700, 500, 600, 400.
Der Wang 500 (Baujahr 1971) ist ein abgespeckter 700. Die wichtigsten wissenschaftlichen Funktionen standen hardwaremäßig per gefädeltem ROM zur
Verfügung und mussten nicht, wie beim Typ 700 mit Kassette geladen werden. Oben links wurde ein kleiner Trommeldrucker eingebaut (Olivetti P 101
hatte diesen schon 1966). Das Kassettenlaufwerk zum Aufzeichnen von Programmen entspricht dem des Typs 700.
Mit dem angeschlossenen Markierungskartenleser (anstelle ausgestanzter Löcher werden Felder per Hand geschwärzt) war der Rechner auch für Schulen
und Universitäten ideal nutzbar. Offline konnten beliebig viele Anwender Programme auf Karten markieren und dann mit einem einzigen Rechner testen.
Wang bot den Rechner als "The World´s Second Most Powerful Calculator" an (der erste war Wang 700). Dies kann sich nur auf die Rechengeschwindigkeit
bezogen haben, denn der HP 9100 war universeller einsetzbar. Das Modell ist sehr selten, da es schon nach kurzer Zeit vom Wang 600 abgelöst wurde.
Der abgebildete Rechner ist neu und unbenutzt. Er wurde vor vielen Jahren im Keller eines ursprünglichen Verkaufslagers von Wang entdeckt und fand
schließlich den Weg "unberührt" von der Herstellung ins Museum. Daher sieht er aus wie aus dem Ei gepellt, eben nagelneu und doch über 45 Jahre alt.
Nachtrag 2023: im Depot des technikum29 befinden sich 2 andere WANG 500. Der Verbleib des oben beschriebenen Rechners konnte nach dem Tod von Heribert leider
nicht geklärt werden. Wir lassen diesen Beitrag dennoch hier stehen.
WANG 600
Der WANG 600 von 1971 stellt eine überarbeitete WANG 700 dar: im gleichen Grundgehäuse konnte dank höherer Integration der Bauelemente nun ein Drucker
eingebaut werden. Moderner Halbleiterspeicher ersetzte den Kernspeicher, die Nixieröhren wurden durch eine kompakte einzeilige Anzeige ersetzt. Der Speicher für
Daten und Programme betrug je nach gewählter Option 1, 2 oder 4 kB.
Der WANG 600 blieb kompatibel zu allen Peripheriegeräten der 700ter Serie. Auf der Gehäuseoberseite (rechts hinten) befindet sich ein Steckplatz für zusätzliche
ROM-Module. Details dazu stellen wir hier vor.
WANG 450
Mit der Serie 400 brachte WANG 1972 die letzte Generation seiner Tischrechner auf den Markt. Der rasante technische Fortschritt der letzten Jahre
ermöglichte es, die Architektur der WANG 600 in wesentlich kompakterer Form anzubieten. Technische Neuerungen wie LSI-MOS Halbleiterspeicher ersetzten
Kernspeicher und Fädel-ROMs. Über eine Schnittstelle an der Geräterückseite konnte ein Markierungskartenleser oder ein Lochkartenleser zur Daten- bzw.
Programmeingabe eingesetzt werden.
Unser Modell 450-1 Scientific stellt umfangreiche wiss. Funktionen bereit, hat 56 Speicherregister und ist mit bis zu 320 Programmschritte programmierbar.
Details zu diesem Modell finden sie hier
Diehl Combitronic
Diehl Combitronic mit Lochstreifenleser- und stanzer
Der von DIEHL 1970-72 verkaufte Combitronic ist ein Rechner, der zeigt, in welcher stürmischen Entwicklungsphase geradezu kuriose Technik angeboten wurde. In diesem Gerät sind Germaniumtransistoren der frühen 60er Jahre (zur Ansteuerung des Druckers), immer noch ein Bootprogramm auf Lochstreifen, der langsame Laufzeitspeicher und die modernste Entwicklung von LSI-Technik in keramischen ICs vereint. Man hat einfach die Transistor-Logik der Combitron mit 4 LSI-ICs realisiert. Somit ist der Rechner mit der damals bereits technisch überholten Combitron weitgehend identisch. Das Gehäuse wurde kleiner; die gesamte Rechnerlogik ist auf zwei kleine Platinen geschrumpft. Im Hintergrund ist der dazugehörige Lochstreifenstanzer ELS 850 zu sehen und links der Lochstreifenleser "Dilector". Hier erhalten Sie weitere Bilder und Details zur Combitronic und Alogotronic.
Hewlett Packard HP 9810, 9820, 9830
Während DIEHL noch die Mechanik stark betonte, versuchten WANG und Hewlett Packard diese zu meiden oder zumindest zu minimieren, wo immer es möglich war. Die Diehl-Rechner der obigen Serie waren für wissenschaftliche Berechnungen einfach zu langsam. Sie hatten weder gegen HP noch gegen WANG eine Chance, obwohl sie natürlich in einer erheblich niedrigeren Preisklasse lagen. Für die Alltagsberechnungen in Ingenieurbüros reichte jedoch zunächst die Leistung dieser Rechner.
Für umfangreiche wissenschaftliche Berechnungen und komplexere Programme führte jedoch kein Weg an WANG bzw. HP vorbei.
Entwicklungsgeschichte der HP-Tischrechner in einem Regal:
- Im Zentrum (Mitte) befindet sich der unter "Rechner der 2. Generation" beschriebene HP 9100.
- Darunter ist das Nachfolgermodell HP 9810 (gleiche Logik wie HP 9100 aber mit TTL-IC´s und den allerersten sehr kleinen 3 spaltigen LED-Anzeigen.
- Ganz unten das nächste Modell, der HP 9820 (Bj. 1971) mit alphanumerischer Anzeige auf 7x5 Punktmatrix-LED.
- Oben befindet sich der bekannteste HP-Rechner: HP 9830, Bj. 1972 mit Lochstreifenleser, Lochstreifenstanzer und Plotter. Dies ist der erste BASIC-programmierbare Tischrechner der Welt.